Startseite » Broost Naijoa!

Broost Naijoa!

Heute hat jedes Zimmer seinen Lichtschalter. Wohnräume werden auf Knopfdruck taghell. Zu Zeiten von Kerzen, Kienspan und Öllampen als Lichtquelle, war Licht zu jeder Tageszeit nichts selbstverständliches. Deshalb gilt Licht im Brauchtum als Zeichen des Lebens und wurde zahlreich gedeutet. Wenn das Licht angezündet wurde, hieß es: „Schaut ob ihr euren Kopf seht!“. Wer in seinem Schatten den Kopf nicht sah, war nämlich dem Tod geweiht. So wurde es zumindest 1914 in Gefrees niedergeschrieben. Das brennende Licht auf dem Tisch durfte gleich gar nicht weggetragen werden. Auch durfte kein Luftzug die Kerze ausblasen, denn auch das wäre der baldige Tod eines Familienmitgliedes gewesen.
Am Tisch machte man mit einem Fingerhut ein Häufchen mit Salz. War am nächsten Morgen eines der Häufchen zerfallen, hatte sein Besitzer mit einer Krankheit zu rechnen. War das Häufchen zu Wasser geworden, so musste er sterben, oder zumindest bedeutete es den Tod eines Elternteiles oder eines der Geschwister. Das „Gartenzaunmessen“ gab es ebenfalls. Dazu wurde ein Gartenzaun mit ausgestreckten Armen vermessen. Es sollte aber ein Zaun mit runden Latten sein, die gerade angebracht waren. So viele Latten, wie am Schluss übrig blieben, so viele Jahre blieben noch bis zur eigenen Hochzeit.

Winterstimmung in der Hauptstraße um 1990.
Foto: Heinz Bauer

Dann gab es noch das „Horchen“ gehen. Dazu trafen sich die beteiligten Personen an einem „Kreuzweg, über den Freud und Leid gingen“ (also eine Kreuzung, wo man bei Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen entlang lief) und stellten sich im Kreis auf. Alle mussten mindestens eine Stunde so stehen bleiben und niemand durfte ein Wort sprechen. Wer aus dem Kreis ausbricht oder etwas sagt, so hieß es, wird sterben. Während dieser Stunde hätten die Personen wohl in die Zukunft schauen können und gesehen, in welchem Haus jemand stirbt, Feuer ausbricht oder sonst ein Unglück passiert.

Dazu hat Jette Bayerlein 1914 über Gefrees folgendes niedergeschrieben:

„Es geht die Sage, dass einmal einer den Ruf hörte: `Eine Multer (=Schüssel) voll Därme!´ und wieder: `Eine Multer voll Därme!´. Er riss aus und blieb, als er über den Zaun seines Gartens stieg, hängen und schlitzte sich den Leib auf, so dass die Gedärme heraushingen und wirklich eine Multer voll war. Er starb daran.“

Zu Mitternacht an Silvester läuteten dann alle Kirchenglocken und begrüßten das neue Jahr. Böller und Lärm sollten Geister und Dämonen vertreiben. Auch schon vor dem Krieg war es in Gefrees üblich, dass man sich zum Feiern um Mitternacht an der Stadtkirche traf. Es war trotz allem früher ein eher besinnlicher Abend, im Gegensatz zu heute.

Zu mitternächtlicher Stunde weckten die Bauern ihre Tiere im Stall und fütterten sie. Einige banden ihr Vieh sogar los und bewegten sie im Stall, auf dass sie gesund bleiben mögen.

Neujahrsstimmung über Gefrees um 1990
Foto: Heinz Bauer

Wollte man ein schönes neues Jahr erleben, musste am 1. Januar der Hausherr als erster aufstehen und den Ofen anschüren, danach erst kam der Rest der Familie. Ältere Frauen standen an jenem Tag generell als letzte auf. Ihnen durfte man beim Verlassen des Hauses am Neujahrstag nämlich nicht als erstes begegnen, denn das wäre ein böses Vorzeichen für Unheil. Sah man eine ältere Frau auf sich zukommen, war es besser umzukehren, als weiterzugehen. Hier behalf man sich aber einer List: man schickte einfach vorher einen Buben raus um etwas zu holen. Bei seiner Rückkehr ging man dann selbst aus dem Haus. Einem jungen Burschen zu begegnen war ein Zeichen für Glück. Wenn Besuch kam, musste ein männlicher Zeitgenosse als erster das Haus betreten. Allgemein üblich war an diesem Tag für die Kinder das „Neujahrswünschen“ in der Verwandtschaft und bei Nachbarn. Die „Wünscher“ gingen dazu zu den Verwandten und wünschten mit einem Gedicht ein glückliches neues Jahr und bekamen dafür ein kleines Taschengeld. Am bekanntesten ist wohl das folgende Gedicht:

„Ich bin a glaaner Digger und kumm net aufm Drigger, gäbbt ma a boa Pfeng, dann geh ich meina Gäng. Broost Naijoa!

Das Geld beim Neujahrswünschen war aber auch dann das einzige Geld, das man bis zum 3. Januar ausbezahlte. Gab jemand am 2. Januar Geld aus oder verlieh etwas, konnte das nämlich Geldknappheit für das ganze Jahr zur Folge haben.

Das Historische Forum Gefrees arbeitet regelmäßig mit Archiven, Historikern und Fachkompetenzen zusammen. Daher ist es über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und anerkannt.
Falls Sie Interesse an den Publikationen des Historischen Forum haben, klicken Sie bitte hier.

Skip to content